„Was schließlich kommt dem Zauber gleich, den die entzückte Zuwendung derer entfacht, von denen wir selbst bezaubert sind? - Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen. Ihr Bezug sticht jedes andere Einkommen aus. Darum steht der Ruhm über der Macht, darum verblasst der Reichtum neben der Prominenz.”

 

aus: Georg Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit

Gibt es Faktoren, die ausschlaggebend dafür sind, dass eine Künstlerin oder ein Künstler anerkannt wird? Welche Art von Anerkennung macht Künstler eigentlich glücklich? In welchem Zusammenhang stehen Anerkennung und Selbstbewusstsein des Künstlers? Aus diesen Fragen hat die Künstlerin Andrea Esswein Interviews mit Künstlerkollegen entwickelt und diese mit sensiblen Porträt- und Atelieraufnahmen ergänzt.

Über das Projekt

Achtzehntausend-
neunhundertneunzig

An dieser Zahl werde ich 2011 gemessen. Sie beziffert nicht den Preis meiner zuletzt verkauften Arbeit, diese Zahl ist meine aktuelle Position im Künstler-Online-Ranking von artfacts.net (Stand 24. April 2011).

 

Diese Seite „versorgt Sie direkt aus der Kunstwelt mit professionellen Daten und Analysen zu führenden Künstlern“, heißt es in der Eigenwerbung. Um wirklich ‚führend’ zu werden, die Liste anzuführen, muss ich also noch 18.989 Künstler überholen, die im Ranking vor mir liegen. Das könnte schwierig werden: Auf Position 1 liegt Andy Warhol mit uneinholbaren 121.412,47 Punkten. Ich kann derzeit dagegen nur 346,34 Punkte auf mich vereinen, und zudem zeigt meine Jahreskurve nach unten, wo sie doch zwischen 2009 und 2010 vielversprechend nach oben ging. Ist meine Arbeit also schlechter geworden in diesem Jahr?

 

Nein, beruhigt mich die Seite, denn: „Das Ranking beurteilt nicht die Arbeit eines speziellen Künstlers, sondern ordnet die Künstler gemäß der fachlichen Aufmerksamkeit, die in sie investiert wird.“ Aufmerksamkeit schenkt man also nicht länger, man investiert sie.

 

Und je mehr davon investiert wird, umso mehr steigt der Wert des Gegenstands der Aufmerksamkeit. Mehr Aufmerksamkeit führt zu mehr Präsenz in Galerien, mehr Ausstellungen, mehr Verkäufen – und diese führen wiederum zu mehr Aufmerksamkeit. Alle profitieren davon: der Galerist, der die Kunstwerke in sein Programm aufnimmt; der Sammler, der vom Galeristen ein Werk kauft; der Journalist, der über den Künstler schreibt; der Künstler, der schließlich am Ende der Vermarktungskette mehr einnimmt. Und alles nur wegen investierter Aufmerksamkeit.

Achtzehntausendneunhundertneunzig  –  ist das also mein Anerkennungsstatus auf der Liste der Aufmerksamkeit, mein Stellenwert, der über meinen künstlerischen Erfolg entscheidet? Wie entsteht eigentlich künstlerischer Erfolg? Welche Faktoren entscheiden darüber, ob eine Künstlerin oder ein Künstler mit ihrer/seiner Arbeit Aufmerksamkeit und damit Anerkennung findet? Gibt es formale Kriterien, die man als Künstler erfüllen sollte, damit sich Erfolg in Form von ideeller und monetärer Anerkennung einstellt?

 

Aus diesen Fragen heraus sind die folgenden Interviews entstanden. Mich interessiert, wie meine Künstlerkollegen über Anerkennung denken, was diese für sie, für ihre tägliche Arbeit bedeutet, welchen Wert sie ihr beimessen. Aus ihren Antworten wird ersichtlich, dass Anerkennung ein zweischneidiges Schwert ist: Man braucht berufliche Anerkennung, um überhaupt gesehen zu werden; wer sich aber von ihr abhängig macht, droht seine künstlerische Unabhängigkeit zu verlieren.

 

Anerkennung scheint Mittel zum Zweck zu sein, aber der Zweck soll nicht die Mittel heiligen. Denn wer um Anerkennung in Form von positiver Aufmerksamkeit buhlt, unterwirft sich auch den Regeln, nach welchen Anerkennung verteilt wird. Denn Anerkennung kann man sich nur zum Teil erarbeiten, sie wird einem vor allem von anderen geschenkt.

 

Alle hier befragten Künstler befinden sich irgendwo „zwischen Existenz und Exzellenz“, und nur sie selbst sollen ihre Position auf der Skala einordnen, die sie anerkennen. Für mich sind sie in jenem ursprünglichen Wortsinn ‚exzellent’, als sie ‚hervorragen’ ohne ‚prominent’ sein zu müssen. Auch das will dieses Projekt anerkennen • Andrea Esswein, Nr. 18.990

Alle Künstler

Werner Degreif,
Zeichnung & Malerei

TrompeteSkizzeWerner guggt!Haseaus dem FensterlachendSesselTrompete AusschnittZeichnungAtelierTisch und StuhlWasserkocher

Kunstpreise, Ausstellungen, Stipendien oder Verkäufe:Welche Art von Anerkennung macht Dich glücklich?

Mich macht jede Form der genannten Anerkennungen glücklich.

Sind Künstler stärker auf Anerkennung angewiesen als andere Berufsgruppen?

Ich glaube, dass künstlerische Anerkennung – sprich: es kommt Geld rein – vieles erleichtern kann, weil die Aussicht auf ein ‚bunteres' Leben deutlich zuversichtlicher stimmt. Bleibt diese Anerkennung aus, kann das dazu führen, dass ein Leben nicht so bunt und der ‚Kunstmikrokosmos' etwas weniger vielfältig sein wird. Wir Künstler laufen oft Gefahr, dass wir ausschließlich auf eine Form der Anerkennung (diese lässt sich allerdings nicht so genau definieren, vielleicht ist sie gleichbedeutend mit ‚bekannt werden') fixiert sind, und glauben, dass nur diese Anerkennung uns voranbringen könnte. Mit so einer Einstellung neigt man dazu, eng im Kopf und in seiner Lebensplanung zu werden. Vielleicht sind in anderen Berufen zahlreichere und unterschiedlichere Aufgaben zu bewältigen. Die Betroffenen müssen dann, um alles hinzubekommen, viele unterschiedliche und vielleicht zuvor nicht gekannte Fähigkeiten mobilisieren, und können daraus neue Formen der Bestätigung und Anerkennung ziehen. Bestimmt schützen auch eine Familie mit Kindern und die damit verbundenen Aufgaben etwas vor dem künstlerischen Ego. Das Ego bleibt natürlich auch mit Familie, doch man muss Strategien entwickeln, um es häufiger zurückzustellen. Da das Leben oft nicht so abläuft, wie wir es uns vorstellen, sind wir gefordert, immer wieder neu zu definieren, was alles Aufgabe und was bei deren Bewältigung für uns Anerkennung sein könnte.

Was war die wichtigste Anerkennung, was die größte Enttäuschung auf Deinem Weg?

Die Einladung, 2011 eine Ausstellung des Hessischen Landesmuseums zusammen mit der Schaderstiftung zu realisieren. Eine „größte Enttäuschung" kann ich nicht benennen.

Gibt es eine Form von Anerkennung, auf die Du konkret hinarbeitest?

Momentan arbeite ich für verschiedene Ausstellungsprojekte. Das ist wunderbar, aber natürlich auch zeitintensiv. Gleichzeitig sehne ich den Moment herbei, wo ich wieder mehr Zeit für die Entwicklung neuer Ideen habe. Ideen, von denen ich mir neue Anerkennung erhoffe. Ideen, die mir aber auch immer wieder bestätigen können, dass ich mit meinen künstlerischen Visionen richtigliege und es sich lohnt dranzubleiben, denn diese Gewissheit kommt einem ja immer wieder abhanden.

Hast Du Dich als Künstler schon einmal instrumentalisiert gefühlt?

Vor vielen Jahren habe ich einmal in der Weihnachtszeit eine Ausstellung in einer Volksbank gemacht. Dort habe ich die Räume ziemlich aufwendig mit meinen Objekten und Bildern gestaltet, dann aber nichts verkauft. Die Bank selbst hat auch nichts angekauft. Irgendwann wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich der Bank kostenlos eine schöne Weihnachtsdekoration installiert hatte. Bei solchen ‚Angeboten' bin ich heute wacher.

In welchem Zusammenhang stehen künstlerische Anerkennung und eigenes Selbstbewusstsein?

Früher dachte ich, dass nur die künstlerische Anerkennung mir Selbstbewusstsein geben würde. Davon habe ich mich auch heute noch nicht wirklich frei gemacht. Ich bin mir inzwischen aber mehr bewusst, dass ich mich dann ja total vom Lob und von der Meinung anderer abhängig mache. Wenn ich heute als Kunstlehrer meine Kursteilnehmer anregen oder begeistern kann, dann spüre ich manchmal, dass auch diese Anerkennung mein Selbstbewusstsein stärkt. Ein  Selbstbewusstsein, das dadurch genährt wird, anderen Freude bereiten zu können.

Hat sich Dein Umgang mit dem Thema Anerkennung über die Jahre verändert?

Mein Umgang mit dem Thema Anerkennung hat sich nicht wirklich verändert. Die naive Hoffnung, dass Erfolg alles zum Positiven verändern wird, hält sich hartnäckig. Damals, als ich am Anfang stand und noch nicht so etwas wie Erfolg da war, musste ich mir öfter sagen, dass schon was Ordentliches dabei rauskommen wird, wenn ich beharrlich und konzentriert, Schritt für Schritt weitermache und versuche, das umzusetzen, was für mich wirklich ansteht. Und dabei auch aufpasse, dass ich den Spaß nicht verliere.